Hier ist die Website mit dem nächste Programm, das ich Ihnen vorstellen möchte. Damit können Sie den Hénon-Attraktor erkunden. Die Website ist nicht bei Complexity Explorer, sondern bei CNRS in Frankreich (https://experiences.math.cnrs.fr/L-attracteur-de-Henon.html). Deshalb ist sie auf Französisch. Aber Sie müssen kein Französisch lesen um zu verstehen, worum es geht. Im ersten Abschnitt ist kurz die Geschichte der Hénon-Abbildung und des Hénon-Attraktors beschrieben. Sie können das mit Google-Translate übersetzen, wenn Sie möchten. Wenn Sie hinunter scrollen, finden Sie dieses Programm in javascript. Darum geht es mir hier. Wie früher beim Programm auf Complexity Explorer, kann man die Parameter 'a' und 'b' wählen und dann stellt es den entsprechenden Attraktor dar. Voreingestellt sind die Werte a = 1,4 und b = 0,3, die Michel Hénon ursprünglich studiert hat. Und wir bekommen wieder die Form des Attraktors, diese liegende, einem gebogenen 'U' ähnelnde Kurve. Durch Klicken in den Plot, kann man hinein zoomen. Jeder Klick vergrößert den Ausschnitt auf das Vierefache. Wir wollen uns diesen Bereich genauer ansehen, in dem die Kurve massiv erscheint. Wenn wir hineinzoomen, können wir sehen wie die einzelnen Punkte geplotted werden. Sie werden in der Reihenfolge geplotted, die den Iterationen entspricht. Dabei fällt auf, dass diese glatte, komplexe geometrische Struktur durch Punkte erzeugt wird, die herumspringen. Darauf habe ich auch schon früher hingewiesen, als wir die Plots der Zeitreihen angesehen haben. Die Bahn der Punkte gleitet also nicht entlang der Struktur wie wir es z.B. von den Linien der Lotka-Volterra Gleichungen im Phasenraum kennen. Um diese (x,y)-Koordinate springen die Punkte herum. Ich zoome nochmals hinein, und wieder sieht man die einzelnen Punkte nacheinander auftauchen. Ich werde nochmals hineinzoomen. Und weil wir jetzt nur einen kleinen Ausschnitt der gesamten Form sehen, sieht man noch deutlicher einen Punkt nach dem anderen auftauchen und die Form erzeugen. Man sieht ganz deutlich, dass die Punkte nicht in einer Bahn entlang der Form hinzu kommen. Das ist eine wesentliche Eigenschaft: die Funktion erzeugt die Form durch herumspringende Punkte. Die andere wichtige Eigenschaft, die Ihnen vielleicht schon aufgefallen ist: diese Form ist ein Fraktal. Jedes Mal, wenn man in eine massiv erscheinende Linie hineinzoomt, stellt man fest, dass es eigentlich 2 Linien sind, oder gar 4 oder 8. Die Struktur ist also in sich gefaltet, immer und immer wieder..., ähnlich wie Blätterteig. Und jedes Mal, wenn man denkt, man hätte eine einzelne Schicht des Teiges oder des Attraktors: wenn man hineinzoomt, stellt sich heraus, dass es eigentlich zwei Schichten sind. Und diese zwei Schichten bestehen wiederum aus zwei Schichten... und so weiter. Wir zoomen weiter hinein und sehen immer wieder dass aus einer einzelnen Linie zwei werden. Außerdem haben wir inzwischen sehr oft hineingezoomt (unklar wie oft genau), und es ist immer noch Struktur erkennbar. Jetzt möchte ich wieder hinaus zoomen, das geht durch einen Klick hier. Dies ist also wieder der gesamte Attraktor, wir hatten etwa hier hinein gezoomt. Ich zoome nun ein paar mal an diesem Punkt hinein. Man sieht gut die in sich gebogene und immer wieder gefaltete Form. Bei weiterer Vergrößerung erkennt man mehr von diesen Bögen. Hier sieht man, dass es eigentlich zwei Linien sind, nicht eine; also eine doppelte Linie. Diese Form hat eine unglaublich komplexe Struktur. Und die Punkte bewegen sich darauf chaotisch. Aber es ist ein Attraktor, denn die Bahnen werden davon angezogen. Sie können verschiedene Regionen vergrößern und damit spielen. Das letze was ich Ihnen mit diesem Programm zeigen will, ist die Auswirkung verschiedener Parameterwerte. Hier lassen sich die Parameter verändern, entweder mit dem Schiebregler oder durch Eintippen. Ich setze a = 0,8 und drücke ENTER. Das ist das Beispiel mit dem wir diese (Teil-)Lektion begonnen haben. Es ist periodisch mit Periode 2. Hier ist der eine Punkt, und da der andere. Sie liegen etwa bei (1.26, -0.12) und (-0.38, 0.38). (Die Skalen der x- und y-Achse sind bei diesem Plot unterschiedlich). Jetzt verändern wir a zu a = 0,1. Im Folgenden werde ich a jeweils um 0.1 erhöhen um zu sehen was passiert. Für a= 0.1 gibt es einen Fixpunkt. Für a = 0.2 gibt es auch einen Fixpunkt, aber er liegt woanders. Es ist ähnlich wie bei der logistischen Gleichung: es ergibt sich je ein Fixpunkt, aber der bewegt sich. Jetzt (bei a = 0.39) gibt es 2 Fixpunkte, also eine Bahn mit Periode 2. Wenn man a vergrößert, bekommt man also zuerst Periode 1 und dann Periode 2. Beim Übergang sind die Punkte etwas verschmiert, ähnlich wie beim Bifurkations-Diagramm der Logistischen Gleichung. Ich erhöhe a weiter. Manchmal ist der Punkt nicht im Bild, aber dann kommt er wieder. Jetzt sind wieder beide da. Bei a = 0,8 ist die Periode 2, das ist der Fall den wir ganz am Anfang hatten. Hier (a = 0.92) ist die Periode 4: Punkt 1, 2, 3, 4. Dann teilt es sich wieder und die Periode verdoppelt sich. Wenn man berechnen würde, bei welchen Werten von a diese Periodendopplungen auftreten, würde die Feigenbaum-Konstante herauskommen. Hier (a = 1,03) ist Periode 8. Periode 16 ist schon nicht mehr klar erkennbar, es spaltet sich auf in eine chaotische Region, in chaotisches Verhalten. Für wachsende Werte von a bekommt man 'seltsame Attraktoren' mit etwas unterschiedlichen Formen. Ab ca. a = 1,23 ist das Verhalten wieder periodisch, es ist ein 'periodisches Fenster'. Es ist (vermutlich) Periode 7 bei a = 1,25. Wenn man a weiter vergrößert, verdoppelt sich die Periode, und verdoppelt sich erneut. Bei a = 1,28 ist das Verhalten wieder chaotisch. Und wir können a bis 1,4 erhöhen. Man könnte für ein System wie dieses also ein Diagramm der Bifurkation erstellen. In 3D wäre das schwierig darzustellen, aber man könnte sich auf die x- oder die y-Koordinate beschränken. Jedenfalls ist dieses Programm eine einfach zu nutzende Möglichkeit um die Hénon-Abbildung genauer anzuschauen, verschiedene Parameterwerte auszuprobieren und hinein zu zoomen. Dies war also unser erstes Beispiel eines 'seltsamen Attraktors': Die Hénon-Abbildung mit den Standardwerten a = 1,4 und b = 0,3 ist ein seltsamer Attraktor und für viele andere Parameterwerte auch. Dieser hat diese Form des liegenden U, das immer und immer wieder mit sich selbst gefaltet ist. Was ist ein seltsamer Attraktor? Erstens, es ist ein Attraktor: fast alle Bahnen (Orbits) werden hinein gezogen. Diese generelle Form tritt unabhängig von den Anfangswerten auf. Rufen Sie sich in Erinnerung, dass dieses Verhalten des Attraktors stabil und erwartbar ist. Der Attraktor ist 'seltsam' weil das Verhalten der Punkte auf dem Attraktor nicht periodisch, sondern chaotisch ist. Es hängt empfindlich von den Anfangsbedingungen ab und ist aperiodisch. Die Punkte liegen auf diesem U-förmigen Attraktor, aber sie springen herum. Es ist chaotisch, denn es ist ein deterministisches System und die Bahnen sind klar begrenzt. Es ist also eine Form von stabilem, chaotischem Verhalten. Der 'seltsame Attraktor' vereint also, was man davor vielleicht für Gegensätze gehalten hat: Seine Form ist vorhersehbar; unabhängig von den Anfangswerten liegen die Punkte auf dieser Form. Aber die Bewegung der Punkte auf der Form ist unverhersehbar, im Sinne des Schmetterlings-Effekts. Zwei sehr ähnliche Anfangsbedingungen führen sehr schnell zu sehr unterschiedlichem Verhalten. Diese Art der Instabilität wird als Schmetterlingseffekt bezeichnet. Andererseits ist das Verhalten stabil: auch wenn in beiden Fällen sich die Punkte weit von einander entfernen, bleiben sie auf dem Attraktor. Wenn ein externer Einfluss einen Punkt aus dem Attraktor heraus bewegt, wird er sehr bald wieder dorthin zurück gezogen und bewegt sich dann wieder auf dem Attraktor auf einem chaotischen und unvorhersehbaren Pfad. Seltsame Attraktoren vereinen also Ordnung und Unordnung, Vorhersagbarkeit und Unverhersagbarkeit. Eine andere Eigenschaft des Hénon-Attraktors, auf die ich Sie aufmerksam machen möchte ist seine sehr komplexe Struktur. Dieses liegende U, das wieder und wieder über sich selbst gefaltet ist. Diese sehr komplexe oder komplizierte Struktur wird durch Iteration einer sehr einfachen Funktion erzeugt. Die eine Gleichung ist linear (y_{n+1} = b x_n), die andere eine Parabel (x_{n+1} = y_n + 1 - a x_n^2). Insgesamt erzeugen diese zwei sehr einfachen Funktionen, durch Iteration, also indem man sie in einer Rückkopplungs-Schleife anwendet, diese erstaunlich komplexe Form. In der nächsten (Teil-)lektion werden wir sehen, dass nicht nur iterierte Abbildungen seltsame Attraktoren erzeugen können, sondern aus Differentialgleichungen. Wir werden uns dort die Lorenz-Gleichungen ansehen.