Das Feuermodell Hallo! Jetzt werden wir uns bald wirklich daran machen zu verstehen, warum Sie agentenbasierte Modelle verwenden wollen, wofür sie sich eignen und was wir durch sie verstehen könnten. Doch davor halte ich es für sehr wichtig, zu versuchen, etwas besser zu verstehen, wofür und von wem agentenbasierte Modelle in der Vergangenheit verwendet wurden. In den nächsten Vorträgen werde ich Ihnen einige einfache Modelle vorstellen, bei denen agentenbasierte Modellierung sehr machtvoll eingesetzt wurde. Wir werden auch komplexere Modelle betrachten, die einige interessante Aspekte haben. Wir beginnen mit einigen meiner Lieblingsmodelle. Ich habe sie vor allem ausgewählt, weil sie einfach verständlich sind, aber auch weil man daran ein paar machtvolle Punkte diskutieren kann. Das erste ist das Feuermodell. Öffnen Sie NetLogo und dann Files > Models Library, dort unter Earth Sciences finden Sie das Fire Modell. Wenn Sie es öffnen, sehen Sie zunächst eine schwarze Fläche. Das ist der 'interface'-Reiter von NetLogo, darüber kann man Modelle laufen lassen und mit ihnen interagieren. Als erstes klickt man auf 'setup', dann erscheint eine Schicht des Modells. Das Modell ist sehr einfach: grüne Kästchen stellen Bäume dar, schwarze Kästchen Orte ohne Baum. An der linken Kante der Fläche ist eine rote Linie, das Feuer. Die Regeln des Modells sind sehr einfach: Wenn das Feuer, also ein roter Punkt, einen grünen Punkt, also einen Baum, berührt, so fängt dieser Feuer, wird also rot. Das Feuer breitet sich also von den roten zu den grünen Punkten aus. Nachdem ein Baum gebrannt hat, bleibt ein grauer Punkt zurück. Das Feuer kann diesen Baum nicht noch einmal abbrennen. Dieses Setup des Modells hat einen Regler (slider) mit dem man die Eingangsvariablen steuern kann. Dieser Regler legt fest, wieviele Bäume es gibt, er steht jetzt bei 57%. Wenn Sie 'settings' anklicken, können Sie sehen, wie groß die Welt des Modells ist, in diesem Fall 251 x 251 Pixel. 57% von 251^2 ist also die Anzahl der Bäume. Die Bäume sind zufällig verteilt, in jedem Ort ist es eine Zufallsentscheidung, ob dort ein Baum steht. Klicken wir noch einmal 'setup', das generiert eine Welt. Jetzt klicken wir auf 'go'. Meine Frage an Sie ist nun: wird das Feuer den rechten Rand des Gebietes erreichen? Zur Erinnerung: 57% der Fläche ist mit Bäumen bedeckt, nur dort kann es brennen, das Feuer erfasst nur unmittelbare Nachbarn. Es ist eine einfache Frage. Und es gibt Gründe, warum man das vom Feuer erwarten würde. Eigentlich müssten 57% mehr als ausreichend sein: wenn man die Bäume gezielt anordnen könnte, würde eine einzige, durchgehende Baumreihe, also je 1 von 251, das Feuer von links nach rechts übertragen. Also nochmal die Frage: kommt das Feuer vom linken an den rechten Rand? Probieren Sie es nicht aus! Raten Sie zuerst, versuchen Sie es sich vorzustellen. Nun werden wir das Modell ein paarmal laufen lassen und sehen was passiert. Wir klicken nochmal setup und bekommen eine neue Welt unter den selben Bedingungen. Wir lassen das Modell laufen. Das Feuer breitet sich aus. Aber langsam verlischt es. Jetzt ist es aus. Versuchen wir es noch einmal, vielleicht war das Zufall. Neustart. Das Feuer breitet sich aus... Aber dann laufen sich die einzelnen Verzweigungen tot. Noch ein letztes Mal. Und wieder beginnt es sich auszubreiten. Hier, bei 'percent burned', können Sie ablesen, wieviel % abgebrannt sind, diesmal 7.2%. Das ist wenig, wenn man bedenkt, dass das Feuer entlang der gesamten linken Kante angefangen hat. Jetzt verändern wir die Dichte, nur ein klein wenig um 5 Prozentpunkte auf 62%. Wir erneuern das setup und werden es gleich laufen lassen. Jetzt gibt es etwas mehr Bäume, 5 Prozentpunkte mehr. Und ich stelle Ihnen die gleiche Frage: Wird das Feuer den rechten Rand erreichen? Ich warte noch kurz, schreiben Sie Ihre Antwort auf, damit Sie es sich nicht nachher anders überlegen. Ich werde es jetzt starten. Sie können jetzt schon sehen, dass mehr % abgebrannt sind als vorher bei 57% Bäumen. Und ganz offensichtlich hat das Feuer den rechten Rand erreicht. Es brennt immer noch. Lassen wir es nochmal laufen. Sie sehen, dass es sich viel weiter ausbreitet, viel entferntere Orte erreicht als vorher. Die abgebrannte Fläche liegt um 88-89%. Lassen wir es noch ein letztes Mal laufen. Währenddessen beschreibe ich Ihnen ein bisschen, was geschieht. Wir haben etwas gefunden, was man bei solchen Modellen manchmal als Phasenübergang bezeichnet. Als Phasenübergang kennt man den Übergang von fest, zu flüssig, zu gasförmig, oder umgekehrt, oder auch direkt zwischen fest und gasförmig. Hier haben wir eine Dynamik des Modells, bei der eine kleine Veränderung der Eingangsparameter, in diesem Fall der Dichte, eine dramatische Veränderung der Ergebnisse bewirkt: das Feuer durchquert das ganze Gebiet und ein viel höherer Prozentsatz brennt ab. Für dieses Modell gibt es für einige Aspekte eine Lösung als geschlossene, also genau berechenbare, Form. Wir wissen daher, dass die Wahrscheinlichkeit, dass das Feuer den rechten Rand erreicht, bei 57% Dichte bei beinahe Null liegt. Natürlich nur bei beinahe 0, denn die Bäume könnten zufällig eine durchgehende Linie bilden, aber es is sehr nahe an 0. Bei 62% Dichte ist diese Wahrscheinlichkeit dagegen bei nahezu 100%. Für Baumdichten dazwischen, also 59% oder 60% liegt die Wahrscheinlichkeit dazwischen, beide Ergebnisse sind möglich. So etwas ist eindeutig ein Phasenübergang: eine kleine Veränderung der Dichte bewirkt eine dramatische Veränderung des Ergebnisses.